Stillen vs. Fläschchen – ein Erfahrungsbericht

Ein sachliches Thema, mag man meinen. Aber so mittendrin angeschaut ist es doch bespikt mit einigen Emotionen, da ich das, was ich rückblickend betrachte, ziemlich spannend und erstaunlich finde. Kurz nach Henris Geburt hatte ich schon mal drüber geschrieben, nur nicht mit dieser Langzeiterfahrung von 10 Monaten (lest Stillen: 3 mal anders).

Mein Ziel ist es, diesen Text ganz wertfrei zu schreiben, denn auch ich hab mit meinen Kindern beides gelebt. Ich habe die Auswirkungen vom Fläschchengeben sowie vom Stillen bemerkt und sehe, welche Unterschiede es bei UNS gibt. Das ist ganz sicher keine Erkenntnis für alle Kinder, denen die Nahrung ebenso unterschiedlich gegeben wird. Es sind meine Erfahrungen mit meinen Kindern. Und darüber möchte ich berichten.

Hanna und Luis haben relativ schnell die Flasche bekommen (8 Wochen Muttermilch), weil Hanna zu klein (1970g zur Geburt) und zu schwach war um zu saugen und Luis hat ein zu kurzes Zungenbändchen, weshalb er nicht richtig andocken konnte. Das habe ich leider erst viel zu spät bemerkt.

Nun gut. So bekamen sie die Flasche und ich die Hilfe meines Mannes. Jeder hat abwechselnd immer einem Baby das Fläschchen gegeben, was sehr erleichternd war Auch er war es, der die Fläschchen nachts vorbereitet hat. Welch Segen.

Den Brei habe ich den beiden dann ab dem 5. Monat ungefähr gegeben. Sie nahmen ihn beide sehr schnell sehr gut an. Im Nachhinein betrachtet, sicherlich deshalb, weil sie das Gefühl eines „fremden“ Gegenstandes im Mund schon kannten. Sie kannten den Unterschied von Muttermilch zu PRE-Milch und so war der Schritt zum Brei nicht weit.

Bei Henri sieht das schon ganz anders aus. Ihn habe ich vom ersten Tag gestillt, nur mal 2-3 Tage lang eine Flasche gegeben, damit er die Milch besser bekommt. Denn auch er war zeitweise sehr schwach zu Beginn Seines Lebens. Brei kann er überhaupt nicht leiden. Er hat erst mit 8 Monaten so ganz langsam angefangen zu essen, gleich zu Tisch und fast alles, was ich auch mag: Nudeln, weiches Gemüse, Käse, Joghurt, ab und an Wurst, Kartoffeln, … alles gleich in kleinen Stückchen und er hat es super gemacht. Manchmal kaue ich ihm vor und gebe es ihm mit den Fingern, den Löffel mag er nur beim Joghurt, den ich zeitgleich auch esse. Bis jetzt hat er noch nie etwas ausgespuckt. Bei Hanna und Luis war das ganz anders, weshalb ich vermute, dass sich der Geschmack der Babys schon auch mit durch die Muttermilch prägt. Diese Chance hatten Hanna und Luis nicht, weshalb wir uns da gemeinsam reinfinden mussten. Es hat mir aber unglaublich Spaß gemacht, sie dabei zu begleiten und zu sehen, was ihnen auch mal nicht schmeckt. Henri wiederum schmeckt alles bisher 🙂

Dazu muss ich allerdings sagen, dass wir mit 6 Monaten bei ihm eine Eisenmangelanämie festgestellt haben, weshalb er Eisentropfen bekommt. Eine Begleiterscheinung dessen war eine sehr langsame körperliche Entwicklung sowie ein Restlesslegs-Syndrom. Beides hat sich gut gegeben seither. Er robbt seit 1 Monat nun durch die Gegend und probiert neue Körperpositionen aus (zum Thema: Bewegung bei Babys begleiten schreibe ich demnächst noch etwas). Sitzen kann er allerdings immer noch nicht.

Welche Unterschiede gibt es noch: Hanna und Luis haben ihren Schnuller geliebt, Henri mag keinen. Er würgt ihn förmlich aus, ebenso wie ein Fläschchen. Ich bin ganz froh drum, da ich nun kein Problem mit der Abgewöhnung habe 🙂 bei Hanna und Luis war das lange Zeit nämlich Thema (lest Schnullerfee? Nö. Müllberg 😀).

Außerdem trinkt Henri jetzt schon aus dem Becher. Hanna und Luis hatten lange Zeit eine Sportflasche mit ihrem Tagesgetränk. Erst seit geraumer Zeit bestehen sie auf ihren Becher beim Essen.

Wie geht es mir als Mama rückblickend? Welche Gedanken kommen mir ins Herz, wenn ich beides im Nachhinein betrachte?

Grundsätzlich sagt mein Bauch: alles darf sein und es ist so gekommen, wie es richtig war. Klar, Zwillinge zu stillen ist eine Hausnummer. Beide gleichzeitig noch viel mehr (ich habs probiert), weshalb ich es auf eine Art gut finde, dass wir die Möglichkeit der Fläschchen hatten. So bekamen sie auch während der Mahlzeit von dem jeweiligen Elternteil die ungeteilte Aufmerksamkeit. Später, als mein Mann wieder arbeiten ging, war das schon ganz anders. Da kam für mich der Stress. Fläschchen vorbereiten, Fläschchen gleichzeitig geben (ich saß im Schneidersitz auf dem Sofa, beide vor mir), Bäuerchen mit Zwillingen gleichzeitig machen, zumal Luis ein Speibaby war – alles in allem alleine echt n krasses Ding. Da ist stillen schon um einiges entspannter. Nix vorbereiten, nix auf die richtige Temperatur bringen, nix desinfizieren. Perfekt.

Was ist mit der Bindung? Ja, das ist schon anders, finde ich. Stimmungen von Henri kann ich viel besser deuten, Hunger und Durst, Müdigkeit etc. unterscheiden. Mit Henri fühle ich mich auch nicht so schnell überfordert, was aber der Tatsache zu Grunde liegen wird, dass ich nur ein Baby aktuell habe (zumindest wenn die großen zwei im Kindergarten sind). Auch wenn es überheblich klingt, aber ich fühle mit Henri genau das, was viele nach Zwillingen sagen: ein Kind ist kein Kind. Aber auch nur, weil ich es mit Zwillingen kenne und die ersten 10 Monate mich selbst vergessen habe, vor lauter Organisation, Zeitplanung und anderen Schwierigkeiten. Mit Henri sehe ich vieles lockerer: wann er trinkt, wann er isst, wann er schläft. Ich lass mich voll auf seine Bedürfnisse ein, wobei ich bei Hanna und Luis schon mehr getimed habe. Warum? Weil ich sonst auf dem Zahnfleisch gegangen wäre. Ich fand es toll, dass beide gleichzeitig tranken und schliefen. Das war ein Segen.

Bezüglich der Liebe ist es ganz einfach: ich liebe jedes Kind anders. Jedes Kind ist mir auf seine Art her nahe. Einfach, weil es ist wie es ist. Das hat überhaupt nichts mit dem Stillen oder dem Fläschchen oder dem Brei oder sonstigen zu tun.

Im Nachhinein betrachtet finde ich es schon sehr traurig, dass ich diese innige Erfahrung, dass Hanna und Luis ihre Lebenskraft aus mir heraus bekommen, nicht machen konnte. Bei Henri erfüllt mich das mit größtem Glück. Stillen ist schön, ganz klar und ich werde ihm es nicht verwehren, solange er es braucht und solange ich damit glücklich bin.

Ob es die kleinen Seelen nachhaltig beeinflusst, wie sie im ersten Jahr ernährt wurden, glaube ich nicht. Viel wichtiger ist das drumherum. Geborgenheit, Liebe, Nähe und Aufmerksamkeit. Das zählt am Ende tausendmal mehr.

Stillen: 3 mal anders


Meine Stillgeschichte beginnt am 12.10.2014 ein paar Minuten nach der Geburt der Zwillinge. Nachdem klar war, dass sich Hannas Blutzucker nicht stabilisieren wird und sie auf die Intensivstation verlegt werden muss, nutzte meine Hebamme diese letzten wertvollen Minuten, die Hanna und Luis noch nackt und feucht auf meinem Bauch lagen. Zu meiner Überraschung fing sie plötzlich an, so ganz ohne Vorwarnung, an meinen Brustwarzen rumzukneten und zu drücken. Ich wusste nicht, was mir geschieht. Immer wieder nahm sie die Köpfchen in die Hand und zeigt ihnen die süße Milch. Luis konnte nicht gut andocken, Hanna hingegen trank wie eine Weltmeisterin. Kurz nach diesem Erfolg war sie auch schon weg auf Intensivstation und ich mit Luis plötzlich ganz alleine im Kreissaal, der eine halbe Stunde zuvor noch mit zahlreichen Personen gefüllt war. Alle zusammen 8 Erwachsene und mittenrein wurden ebendann zwei Minimenschlein geboren.
Nun gut. Die Stunden verstrichen, die Stillberaterinnen kamen. Ich pumpte fleißig ab, legte beide immer mal wieder an. Niemand trank so recht. Luis konnte nicht richtig andocken, warum erfuhr ich erst eineinhalb Jahre später. Und Hanna schlief immer wieder ein, nachdem sie ein paar ermüdende Züge nahm. Beide gleichzeitig am Busen war echt eine Herausforderung. Links immer wieder andocken, rechts am Wachhalten und zwischendurch immer wieder pumpen, pumpen, pumpen. Anfangs 3ml mit dem Ziel, die Milchproduktion täglich zu steigern. Der Milcheinschuss kam schon brav am 3. Tag, ich hatte gefüllte Brüste, aber trinken konnte keiner direkt. Also alles per Fläschchen. Meine Hebamme zu Hause beruhigte mich mit den Worten: „Das bekommen wir schon hin.“ Ich vertraute.

Zu Hause angekommen, das gleiche Spiel. Die Hebamme kam, legte beide an und es begann von vorn. Links Andocken ohne Erfolg, rechts schlief alles. Also pumpte ich weiter und fütterte mit dem Fläschchen. Beide wuchsen und gedeihten und das war für mich wirklich das wichtigste. Mit den Zwillingen war ich eh so im Organisations- und Strukturaufbau, dass mir das alles gut in den Kram passte. Ich pumpte nach der Uhr und ich fütterte nach der Uhr und gut. Es gelang so ganz gut. Keiner hatte zwischendurch Hunger. Alles war wunderbar getimed.

Die 8 Wochen Elternzeit meines Mannes verstrichen und ich konnte mir nicht vorstellen, das alles allein durchzustehen. Also entschieden wir, abzustillen. Nach einer Woche Pfefferminz- und Salbeitee waren meine Brüste leer und mein Unterbewusstsein klopfte immer wieder leise ein „Du hast versagt.“ Während der Kopf lauter sagte „Es ist in Ordnung.“ Was mein Herz sagte, wollt ihr besser nicht wissen.

So blieb es dabei. Wir fütterten ab da an Pulvermilch, die Mäuse schliefen von 23 bis 6 Uhr durch und gut wars. Soviel zum „Stillen“ (wohl besser Nahrungsaufnahme) der Zwillinge.

Dann kam Henri.

Alles anders. Andere Hebamme. Andere Tageszeit. Der Geburt. Andere Möglichkeiten. Henri wurde nachts geboren (hier findet ihr den Geburtsbericht), sodass viel Zeit blieb, dem kleinen Mensch seine Zeit zu lassen. Ich ließ ihn von selbst die Brustwarze suchen und unterstützte ihn nur leicht, da er doch sehr klein und noch eher schwach war. Die Hebamme hielt sich sorgsam raus und so konnten wir die nächtliche Zeit wunderbar und sogar eine Stunde länger im Kreissaal genießen. Auch wenn Henri am nächsten Tag ebenfalls wie Hanna damals auf die Intensivstation musste, konnte ich mich rund um die Uhr um ihn kümmern, da ich ja nicht noch ein zweites Baby hatte. Das war Gold wert. So verbrachte ich jede Stillmahlzeit bei ihm, legt ihn erst an und stillte den restlichen Hunger mit Muttermilch oder ausnahmsweise auch mit Pulvermilch danach per Fläschchen. Nachdem wir zu Hause waren, machte ich viel intuitiv. Irgendwann nach ein paar Tagen ließ ich die Muttermilch per Fläschchen weg und stillte ihn ausschließlich an der Brust. Das klappte ganz hervorragend und er schaffte es somit seither jede Woche knapp 250 Gramm zuzunehmen. Ich habe keine Ahnung, wie lange das so noch gehen soll 🙂

Was ist nun vom Gefühl her anders bei Henri?

Ja, irgendwie kann ich ihn und seine Körpersprache, seine Laute, sein Weinen viel besser lesen. Ich weiß, wann er Hunger hat, wann er die Windel voll hat, wann ihm kalt ist, wann er Bauchschmerzen hat, wann er kuscheln will. Das ist doch enorm, oder? Bei Hanna und Luis wusste ich ALL DAS nie!!! Deshalb kann ich auch nicht von Erfahrung sprechen. Die Bindung ist einfach enger, er ist mir näher. Das macht mir manchmal Angst, da mein Gerechtigkeitssinn sagt: „Hey, du liebst die drei nicht gleich.“ Aber dann halte ich inne und weiß, dass es nicht die Liebe ist, die sich durchs Stillen oder Nichtstillen unterscheidet. NEIN. Es ist viel mehr die Achtsamkeit, welche Mutter Natur uns in die Wiege gelegt hat. Und JA, ich kann sagen, dass ich diese Achtsamkeit bei Hanna und Luis eben nicht hatte. Dieses kleine feine Still-Band gab es eben einfach nicht. Nicht zuletzt, weil sie bei der Nahrungsaufnahme durch das Fläschchen „nur“ vor mir lagen und ich im Schneidersitz sitzend beide Flaschen gleichzeitig hielt. Klar ist es näher, wenn man das Baby im Arm hält während man das Fläschchen gibt, aber bei uns ging es eben nicht anders. Es war eine Herausforderung. Jeden Tag.

Und nun? Nun genieße ich das alles mit Henri, was ich damals bei Luis und Hanna so schmerzlich vermisst habe. Ich bin so unendlich glücklich, dass Henri von der ersten Minute an so gut stillt und mir damit ein sehr großes Geschenk macht. Und ich bin auch neugierig, ob sich diese Mama-Kind-Beziehung in Zukunft anders entwickelt. Ich werde berichten.

 

Nachtrag: Luis konnte deshalb nicht andocken, weil sein Zungenbändchen zu kurz ist. Er kann bis heute die Zunge nicht so weit hinaus strecken. Und nur dadurch fiel es mir irgendwann auf.