Die erste Zeit zu Hause

Ja, es ist mir ein Bedürfnis über unsere erste Zeit als fünfköpfige Familie zu schreiben. Einfach auch deshalb, weil unsere Familienwaage ein Ungleichgewicht erfahren hat. Eines, welches sich so schwermütig anfühlt, dass es mir im Herzen weh tut.

Aber mal zum Anfang. Nach 6 Tagen Krankenhaus inklusive Neugeborenenintensiv- und Kinderstation, durften wir am 1. Mai endlich nach Hause. Was mich hier erwartete, konnte ich mir keineswegs vorstellen. Nein. Es war so so anders.

Als uns Hanna und Luis am 4. Tag nach Henris Geburt besuchten, verlief alles sehr schön. Sehr romantisch. So, wie man es sich wünscht. Die beiden älteren Geschwister freuten sich über den Neuankömmling, streichelten ihn sacht und strahlten mich an. Puh. Die erste Hürde geschafft, dachte ich mir so.

Am 1. Mai wurde ich dann eines besseren belehrt. Alles war anders. Klar, wir waren daheim, das Baby dabei und ich war nicht mehr ganz die Mama, die vor der Geburt gegangen ist.

Ich habe mich verabschiedet. 30 Minuten nach dem Blasensprung morgens daheim habe ich beide in den Arm genommen und mich von meinen einzigen zwei verabschiedet. Ich habe geweint. Vielleicht weil ich wusste, wie emotional alles werden würde.

Und nun sitze ich hier und reflektiere die beiden Wochen.

Da war ich. Die Zwillingsmama, die sich zur Löwenmama von Henri entwickelt hat, weil wir 6 Tage allein die Zeit nur füreinander hatten. Ich beschützte ihn. Vor zu viel Nähe, vor zu viel Lärm, vor zu viel Unbeständigkeit. Ich war voll bei ihm, während sich der Papa um die beiden großen kümmerte. Ich hielt Hanna und Luis auf Abstand. Ja, auch weil ich selbst erst mal schauen und kennenlernen musste, was Henri aushält und verkraftet. Ich schimpfte beide, wenn sie nicht gehorchten, wenn sie uns beim Stillen zu nah kamen, wenn sie einfach nicht lieb und leise neben mir saßen. Als sie dann abends im Bett lagen, weinte ich mir die Augen aus, weil ich so ungerecht war. Immerhin sind auch diese zwei Wunder meine Kinder. Das verdrängte ich voll. Alles in mir konzentrierte sich auf Henri. Sein Überleben und seinen Schutz.

Nur ganz langsam kam ich zu mir und komme es immer noch. Wie lange wird das wohl noch dauern? Nur langsam ließ ich Hanna und Luis an Henri heran, ihn streicheln oder auch mal auf dem Schoß mit Unterstützung halten. Es kostete mich unglaublich viel Kraft und Überwindung. Aber ich sah dieses Strahlen in ihren Augen und in dem Moment wurde mir klar, dass wir fünf nun eins sind. Und dennoch entwickle ich mich grad extrem langsam. Ich trete auf der Stelle und ich habe Herzschmerz. Schon allein deshalb, weil ich beide doch hin und wieder bremsen muss. Kann es nicht so bleiben, wie vorher? Nur eben mit Henri?

Hanna ist sehr herausfordernd, wenn ich Henri stille. Sie stört mich absichtlich und testet, wie weit sie gehen kann. Auf der anderen Seite legt sie sich plötzlich tagsüber in ihr Bett, hat ihr Lieblingskuschelherz ganz fest an sich gedrückt und ihren Schnuller im Mund. Sie leidet leise und das tut mir so enorm weh, weiß aber nicht, wie ich es verhindern bzw. auflösen kann. Henri ist nun mal da und es wird nie wieder, wie es war.

Luis ist unheimlich jammerich, aber auch trotzig, laut und brüllt viel wegen Kleinigkeiten. Er ist sehr sensibel geworden. Dennoch kommt er aktiv zu mir uns fragt ganz oft, ob er Henri halten kann.

Klar, alles negative Aufmerksamkeit und auch genau das Alter, in dem sie eh alles testen und ausprobieren, nicht mehr hören und sowieso nur das Gegenteil machen. Mich nimmt das aber grad alles so mit, nicht nur wegen der Hormone. Nein. Sicherlich auch, weil ich spüre, wie intensiv dieser Abschied doch ist. Abschied von meinen Babys. Ich leide so sehr. Ich hatte einfach keine Ahnung von alledem.

 

Beide haben den kleinen Henri in ihr Herz geschlossen, nehmen es mir jedoch sehr übel, dass ich nun nicht mehr so für sie da sein kann, wie ich es vorher war.

Ich weiß, dass sie sich an die neue Familie gewöhnen werden, akzeptieren, wie es jetzt ist. Dennoch machen mich ihre neuen „Gewohnheiten“ manchmal ganz fuchsig. Ich muss mich auch erst mal daran gewöhnen, dass aus meinen kleinen Zwillingen nun richtige Kinder geworden sind und sie plötzlich Eigenschaften zeigen, die ich bisher nicht kannte.

Jeder entwickelt sich hier grad weiter und ich weiß noch nicht, wo ich mich einordne, wo ich meine neue alte Rolle finden werde. Nun bin ich Mama von nicht nur zwei, sondern drei Kindern. Das habe ich noch nicht ganz realisiert. Ich fühle mich noch zweigeteilt: Mama von den Zwillingen und parallel Mama von Henri. Noch konnte ich die zwei Mamas nicht deckungsgleich aufeinander legen. Noch will ich grad nur eins sein, weil mich alles andere überfordert.

Ab morgen wird mein Mann wieder arbeiten gehen und ich bin allein. Im Alltag allein. Wie soll das gehen? Stillen und gleichzeitig kochen? Drei Kinder gleichzeitig wickeln? Ein Spaziergang mit Laufrädern und Tragetuch/Kinderwagen? Hanna und Luis abends allein baden? Heute sind dies alles noch unüberwindbare Hindernisse für mich.

Noch dazu lähmen mich die Müdigkeit und meine Autoimmunerkrankung, welche sich bisher nicht gebessert hat. Im Gegenteil. Die neue Ordnung meiner Hormone hat wieder alles durcheinander gebracht. Der tolle Medikamentencocktail, der mir die letzten 5 Wochen vor der Geburt etwas Ruhe verschaffte, ist jetzt nicht mehr der richtige.

Völlig planlos und stilldement habe ich keine Ahnung, wie ich das alles schaffen soll. Die Zeit wird es hoffentlich zeigen und die Waage sich wieder im Gleichgewicht ausrichten.

 

Die Geburt von Henri

Neun Monate haben wir alle auf diesen kleinen Mann gewartet und ihn uns sehnlichst herbei gewünscht und nun ist er da und liegt hier auf meiner Brust. Seltsam, wie groß Hanna und Luis plötzlich wirken. Große Hände. Lange Beine. Sind sie gewachsen? So schnell?

Zurück zum Thema. Unserem Geburtsbericht von plus1 🙂

Der Tag vor der Geburt war heftig. Irgendwas stimmte nicht mit mir. Ich hatte Magenschmerzen. Alles um mich herum verschwamm in einem Bild ohne Zeit und Raum. Ich lag in der Kuschelecke und die Zwillinge veranstalteten ein Chaos um mich herum, von dem ich erst etwas mitbekam, als mein Mann nach Hause kam und fragte: „Was ist denn hier passiert?“ So lange hat er wohl noch nie aufgeräumt. Tja und ich dachte, Hanna sitzt die ganze Zeit hinter mir und schaut sich Bücher an und Luis habe ich auf dem Teppich mit ein paar weiteren Büchern erwartet.

Die Nacht wurde nicht wirklich besser. Mein Bauch verkrampfte sich hin und wieder, aber ansonsten blieb alles ruhig. Als wir morgens frühstückten und mein Mann mir sagte, dass er 9 bis 13 Uhr ein wichtigen Termin hatte, bat ich ihn, das Handy in Hörweite zu halten, warum auch immer. Als er 8 Uhr fuhr, bin ich förmlich aufgesprungen, habe in Windeseile den Frühstückstisch abgedeckt, wichtige Dinge für Hanna und Luis hingestellt, Zähne geputzt und geduscht, wobei mir Luis ungewöhnlicher Weise sehr liebevoll assistierte. Normalerweise lasse ich mir mit alle dem viel Zeit. Meist sogar bis 10 Uhr 😉 irgendwie habe ich es scheinbar geahnt, denn als ich mich nach dem Duschen aufs Bett setzte und Hanna und Luis beim toben zuschaute, ploppte es in mir zweimal. Ich dachte, die Fruchtblase sei geplatzt. Also machte ich meinen pH-Wert-Test. Nix. Alles gelb. Nun gut, dachte ich mir, Hanna und Luis schauten inzwischen in Ruhe Buch in der Kuschelecke an, somit konnte ich mich noch ein paar Minuten entspannen. Vorbei am Handy, welches vor ein paar Minuten (8:54 Uhr) eine SMS von meinem Mann empfing „Alles gut? Ich geh jetzt in den Termin.“ Meine Antwort um 9:03 Uhr lautete also „Ja.“ Als ich mich dann nun nochmal ins Bett setzen wollte ging es WUSCH und alles war nass. Der Geruch nach Eiweiß verriet mir Fruchtwasser. Anruf bei meinem Mann um 9:05 Uhr mit den Worten „Letzte Statusmeldung nicht korrekt.“ ;D Also cancelte er den Termin und organisierte die Oma für die Zwillinge und für mich seine Schwester für die Fahrt ins Krankenhaus. Ich musste eigentlich nur noch die Tasche und zwei Handtücher schnappen. Nur für den Fall, es würde schnell gehen.

Im Krankenhaus in München angekommen, wurde erst mal CTG geschrieben und untersucht. Bingo. Der Geburt stand nichts mehr im Wege.

So kamen wir in den Kreissaal und entspannten erst mal. Viel passierte da auch erst mal nicht. Wehen, welche leicht zu veratmen gingen und gelegentlicher Fruchtwasserabgang. Langweilig 😉 So gingen wir treppauf treppab spazieren. Anfangs langsam, dann schneller. Wehen kamen und gingen wieder. Also in die Badewanne. Wehen kamen und gingen wieder. Nun eine noch schnellere Runde spazieren und währenddessen schön die Wehen veratmen. Die nächste Untersuchung offenbarte, dass sich am Muttermund seit Stunden nichts tat. Er war einfach zu straff. Also gab es ein homöopathisches Mittel im 20 Minutentakt, welches gut wirkte und den Muttermund erweichte. Somit gingen die Wehen auch voran. Mittlerweile war es abends, es wurde dunkel und mein Mann scherzte schon, dass ich Henri absichtlich so lange drin lasse, weil ich mir doch so ein gerades Geburtsdatum für ihn wünschte. Und er behielt recht. Nur wusste ich es selbst noch nicht. Inzwischen veratmete ich schon ganz ordentliche Wehen, meine Augen öffnete ich kaum noch und wartete immer nur die nächste Tablette ab, die mir sagte: wieder 20 Minuten rum. Die Zeit vergeht also. Ich hatte jegliches Gefühl verloren. Irgendwann saß dann nun mein Mann neben mir und ich hielt seine Hand. Plötzlich spürte ich nicht nur Wehen, sondern auch den Druck am Beckenboden. Holla die Waldfee, DAS war bei Hanna und Luis aber nicht so heftig. Und Luis war genauso klein wie Henri. Ich tönte mich so dahin und plötzlich fragte mich mein Mann, ob wir nach der Hebamme klingeln sollten. Ich bejahte und es wurde heftiger und ich lauter. Was eine Kraft durch mein Unterleib zog, ich hatte ja keine Ahnung. Es war so anders.

Dann kam die Hebamme und fing gleich wie wild zu wuseln an. Ich hörte es rascheln und tönte wieder sehr laut. Es tat so weh. Und plötzlich ein heftiger Druck zwischen meinen Beinen. Das musste das Köpfchen sein, welches sich nach draußen schob. Halleluja. Ich wollte nicht mehr. Ich wollte nur heim gehen. Jetzt sofort. Und wieder schob sich Henri mit einer Heftigkeit durch den Geburtskanal, sodass ich dachte, ich platze. Die Hebamme sagte nur „Lassen sie ihn raus“ während ich meinem Mann die Hand fast zerquetschte (Sein Kommentar nach der Geburt dazu: „Und wehe, du fragst mich irgendwann nochmal, ob ich ein Glas mit Schraubdeckel für dich öffnen kann.“). Und dann kam das Köpfchen und ich spürte Erleichterung. Oh wunderbar. Es spannte nicht mehr so und ich traute mich, ihn zu berühren und fühlte einen warmen, feuchten Kopf und wusste, jetzt schaffe ich es auch weiter. Dann wurde sein Körper geboren und das erste, was ich sagte, als ich seine Füße noch in mir spürte: „Schau auf die Uhr!“ Und eigentlich wusste ich es. Ich wusste, wir hatten es bis zum 26.4. geschafft. Als nächstes lachte die Hebamme und sagte „0:01 Uhr.“ Und war dann völlig sprachlos, da sie nicht damit gerechnet hatte, dass eine Frau sowas steuern kann. Ich auch nicht, bis zu diesem magischen Moment.

Dann schaute ich an mir herab und sah dieses klitzekleine Menschlein da liegen, nahm ihn so hoch wie es die Nabelschnur zuließ zu mir und schaute ihn einfach nur an. Die Nabelschnur pulsierte langsam aus, während die Zeit stehen blieb. Er war so warm, so angenehm, schrie nicht, schaute nur ein ganz bisschen. Die Hebamme entfernte die CTG-Knöpfe und wartete gelassen auf die Plazenta, die sich schon zu lösen begann. Ich spürte es in mir. Dann nabelte sie Henri ab und ich durchschnitt seine Nabelschnur. Ich trennte ihn auf ewig von mir, meinem Körper, in dem er heran gewachsen ist. Ich war dennoch glücklich. Dann kam die Plazenta. Wir schauten sie uns ganz genau an und stellten fest, dass sie sehr klein war. Das war also der Grund für sein Fliegengewicht. Noch wussten wir allerdings nicht nicht, wie leicht er wirklich war. Die Hebamme schaute ihn nur kurz an und ließ uns dann 2 Stunden ganz allein mit unserem dritten Kind. Irre. War das jetzt grad wirklich alles passiert?

Ich ließ Henri meine Brust ganz alleine suchen und finden, half ihm nur ein klein bisschen, da er doch eher schwach war. Aber er fand sie und saugte ewig daran. Ganz zufrieden.

Und nun kam mein Hunger. Den ganzen Tag hatte ich so gut wie nicht gegessen und nun hatte ich Hunger. Bärenhunger. Eine Scheibe Brot dick mit Butter bestrichen und Käse belegt, rettete mir die Nacht und brachte die Kräfte zurück. Wir schauten weiter unser kleines Wunder an. Bis die Hebamme nach einer gefühlten Ewigkeit wieder zu uns kam und ihn wog. 2440 leichte Gramm. Da war ich doch überrascht, da ich mit mehr gerechnet hatte. Alle weiteren wichtigen Eckdaten aufgenommen, schob sie mein Stationsbett hinein, auf dem wir weitere 30 Minuten kuscheln konnten. Henri blieb nackt, dick in warme Tücher gewickelt. Selbst später auf der Wochenbettstation wollte ich ihm die chemisch gereinigte Klinikkleidung nicht antun. So kuschelten wir die ganze Nacht bis zum nächsten Morgen … und ich? Ich war einfach nur selig für diese wunderschöne Erfahrung, einem weiteren Menschlein das Leben geschenkt zu haben.